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Es klingelt an der Türe..

BeitragVerfasst: 08.12.2006, 13:37
von Bimbel
Heute Nachmittag klingelte es an der Tür. Genervt, weil ich eigentlich
im dreitägigen Urlaub nicht gestört werden wollte, und ich außerdem
gerade vorhatte, den Rasen zu mähen, schleppte ich mich in den
Windfang und warf durch die Glasfenster der Haustür einen
mißtrauischen Blick auf die zwei Gestalten vor mir.

Ein Mann, vielleicht Ende 20, groß, hager, schlaksig mit Brille und
Pickeln, und eine Frau, Ende 30, ziemlich unattraktiv mit einem
prägnanten Leberfleck über der Oberlippe und strenger Frisur. Beide
trugen akkurate, dunkle Anzüge und er eine kleine Aktentasche. Da dort
kein Staubsauger hineinpaßte, schwante mir schon, wer da vor mir
stand.

Sie: "Guten Tag, mein Name ist (habe schon ich wieder vergessen), und
das ist mein Begleiter, Herr (habe ich mir gar nicht erst gemerkt -
ich und Namen...). Haben Sie Interesse an einem religiösen Gespräch?"

Er: lächelt dümmlich

Ich: "Ach, sind Sie die Gemeindepastoren? Wir wurden uns tatsächlich
noch nicht vorgestellt." (Stimmt sogar, ich wohne seit über 13 Jahren
in diesem Dorf, aber ich habe den Pastor nie kennengelernt, ich weiß
nicht mal, wie der Kerl heißt. Ist mir auch egal, bin ja kein Christ.)

Sie: verlegen "Äh, nein. Wir sind die Zeugen Jehovas, die Soldaten des
Himmels."

Ich: "Soldaten des Himmels?"

Beide: eifriges Nicken

Ich: "Boah, da haben Sie aber einen verdammt weiten Weg zur
Kaserne..."

Beide: gucken doof

Ich: schnell, um sie nicht zu Wort kommen zu lassen "Wieso Soldaten,
ist denn Krieg?"

Er: holt Luft und setzt an etwas zu sagen

Ich: "Ach so, Sie sind bloß das Rekrutierungskommando."

Sie: noch immer blöd guckend "Äh... dürfen wir vielleicht
hereinkommen?"

Ich: "Gut, wenn es nicht so lange dauert. Mein Rasen mäht sich nicht
von alleine." (In der Tat wollte ich eigentlich lieber den Rasen
mähen, als diese beiden Witzfiguren klingelten. Aber warum soll man
sich nicht ein wenig Spaß gönnen...?)

Ich halte also die Tür auf und bitte sie ins - zugegebenermaßen etwas
unaufgeräumte - Wohnzimmer. Als erstes fallen meine beiden Rottweiler
(Thor und Loki) über sie her - freudig, denn sie tun niemandem etwas,
sondern freuen sich über den Besuch. Die beiden Zeugen werden noch
blasser als sie ohnehin schon waren.

Ich: beruhigend "Keine Angst, die Beiden tun Euch nichts..."

Daß ich bei diesen Worten absichtlich nicht die Zeugen, sondern meine
Hunde angesehen habe, haben die Beiden leider gar nicht mitbekommen.
Schade...

Stocksteif lassen sie sich also die Hände abschnüffeln, dann rufe ich
Thor und Loki - absichtlich mit Betonung ihrer heidnischen Götternamen
- zur Ordnung, schicke sie auf ihre Matten in der Ecke und lasse sie
Platz machen. Widerwillig gehorchen sie.

Er: noch immer nervös, aber um Höflichkeit bemüht "Die hören aber
gut."

Ich: "Ja, auf's Wort. Zwar erst so auf das dritte oder vierte, aber
immerhin. Aber sie sind auch die Einzigen hier, die das tun..."

Mit diesen Worten scheuche ich den Kater vom Sofa und bedeute den
Beiden, sich zu setzen. Das tun sie auch, allerdings sitzen sie nur
wenig entspannt da, den Blick nicht von den Hunden lösend.

Thor starrt aufmerksam zurück, Loki beschäftigt sich damit, Thor
intensiv das Ohr auszulecken. Die langen und feinen weißen Haare des
Türkisch-Angora-Katers Yeti werden sich auf ihren dunkeln Anzügen gut
machen.

Ich: "Möchten Sie vielleicht einen Tee?"

Sie: "Sehr gern."

Er: "Das wäre sehr freundlich."

Ich nicke und verschwinde in der Küche. Sofort springen die Hunde auf
und wuseln mir hinterher. Das tun sie immer, wenn ich in die Küche
gehe. Das ist aber auch nicht schlimm, so haben die Besucher Zeit,
sich etwas umzusehen. Ich weiß, daß sie auf Anhieb die kindgroßen
Gargoyle-Statuen, die Feuerschale und den Dolch auf dem Tisch, meine
Kelche in der Vitrine
und vor allem das 30 cm große Eisenpentagramm im Fenster bemerken und
sich ihre Gedanken machen.

Drei Minuten später kehre ich mit den dampfenden Teetassen auf dem
Tablett, den Hunden im Schlepptau und meinem zurechtgelegten Konzept
zurück. Ich schicke die Hunde wieder auf ihre Matten und stelle den
Zeugen ihre Tassen hin. Sie bedanken sich artig. Ich setze mich auf
das andere Sofa.

Sie: "Glauben Sie an Gott?"

Ich: deute lachend in die Runde "Sieht das hier etwa so aus, als ob
ich das täte?"

Sie: zeigt auf das Pentagramm "Ähm... nunja, ich dachte mir so etwas
schon, wenn Sie hier ein Teufelszeichen aufhängen."

Ich: pruste fast meinen Tee über den Tisch "Teufelszeichen? Sie
sollten noch mal zur Schule gehen. Wenn ein Pentagramm mit der Spitze
nach unten zeigt, dann ist es ein Zeichen für das Böse, vielleicht
auch für den Teufel, ebenso wie ein umgedrehtes Kreuz. Mein Pentagramm
zeigt aber mit der Spitze nach oben. Somit ist es ein Zeichen des
Guten, es
Lebens, der Magie und des Schutzes. Und dieses Zeichen ist schon sehr
viel älter als das Kreuz oder das Christentum. Es schützt mein Haus
vor schlechten Einflüssen - zum Beispiel von Leuten wie Ihnen."

Sie: erst mal sprachlos

Er: hilflos "Nur Jesus kann die Menschen beschützen. Er ist für unsere
Sünden gestorben."

Super Vorlage für mich! Ich springe sofort darauf an.

Ich: "Woher weiß Jehoshua ben Joseph denn von meinen Sünden?"

Sie: guckt blöd "Wer?"

Ich: "Na, Jehoshua ben Joseph von Nazareth, der später Jesus Christus
genannt wurde. Sagen Sie bloß, als Zeugen Jehovas kennen sie Jesus'
bürgerlichen Namen, seinen wahren Namen, nicht? Wer hat Sie denn
ausgebildet?"

Beide: gucken blöd

Ich: werde gerade warm "Aber mal angenommen, es habe die christliche
Mythengestalt tatsächlich gegeben, woher soll er vor knapp 2.000
Jahren gewußt haben, welche Sünden ich begehen werde? Von denen, die
noch vor mir liegen, weiß ja selbst ich noch nichts."

Er: verlegen "Jesus ist allwissend."

Ich: "Aha, jetzt ist er schon ganz der Papa, wie? Ich dachte, dieses
Attribut sei Gott vorbehalten?"

Sie: will die Situation retten "Gott ist allwissend, und durch ihn
sein Sohn Jesus Christus auch."

Ich: "Soso, der Alte quatscht also einfach meine persönlichen Daten an
seinen Sohnemann weiter. Etwa auch die, die ich ihm früher bei der
Beichte anvertraut habe? Er verstößt gegen seine eigene Regel, das
Beichtgeheimnis?"


Beide: Mund steht offen

Ich: schnell "Allwissenheit für die Zukunft wurde aber nachweislich
schon von namhaften Physikern ad absurdum geführt. Nehmen Sie nur mal
Schrödingers mathematisch beweisbare Theorie von den Varianzen des
Zeitstrahls, welche, bedingt durch die Chaostheorie, zu einer
unendlichen Vielfalt möglicher Zukünfte führen und das Kontinuum in
endlose unterschiedliche Varianten aufspalten. Das macht jede exakte
Zukunftsvorhersage absolut unmöglich, da sich nicht berechnen läßt,
welche der unendlichen möglichen Parallelen des Multiversums der
Zeitstrahl kreuzen wird."

Beide: schauen drein, als hätten sie kaum ein Wort verstanden

Ich: sie sehr ernst anschauend "Auch als Magier kann ich nicht exakt
in die Zukunft schauen, sondern allenfalls Tendenzen und
Wahrscheinlichkeiten bei der Divination erkennen, und ich bin schon
der mächtigste Magier hier in der Gegend - wenn ich es nicht wäre,
wüßte ich das bereits."

Beide: gucken nun erst recht blöd

Ich: "Tja, so was lernt man nicht bei Ihrem Kegelverein, oder?"

Sie: "Den 'Kegelverein' verbitten wir uns! Wir sind..."

Ich: unterbreche sie "Wieso, Sie schmeißen doch wahllos die Kugeln
ihrer Propaganda ins Volk und schauen dann, ob nicht ein paar Leute
umfallen. Für mich ist das Kegeln."

Sie: scheint sauer zu sein "Ich sehe schon, hier können wir nichts
mehr retten."

Ich: nickend "Gut erkannt. Ich will auch gar nicht 'gerettet' werden."

Beide stehen auf.

Sie: "Danke für den Tee."

Er: nickt

Ich: "Gern geschehen. Es macht immer wieder Spaß, Leute über die wahre
Natur des Universums aufzuklären."

Ich begleite sie zur Tür. Die Hunde tapsen artig hinterher.

Er: scheint nun auch sauer zu sein "Jesus wird Sie nicht retten,
sondern Ihre Seele verdammen."

Sie: nickt beifällig

Ich: "Oh, Sie wollen MIR drohen? Nun gut, dann muß ich mich wehren."
Tiefe Stimme und ausladende Gestik "Ich verfluche Sie beide! Für den
Rest des Tages sollen Sie schrecklichen Durchfall erleiden!"

Beide: machen kopfschüttelnd, daß sie wegkommen "So ein Unsinn.."

Ich schließe die Tür und lache erstmal lauthals los. Meine Hunde
gucken mich treudoof und verständnislos an.

Ich glaube nicht, daß die beiden 'verfluchten' Zeugen jemals
wiederkommen werden.

Obwohl, ich hätte zu gern ihre Gesichter gesehen, wenn die überaus
großzügig bemessene Portion Abführmittel in ihrem Tee zu wirken
beginnt..

BeitragVerfasst: 08.12.2006, 15:57
von labbadia98
:lol: :lol: :lol:

Häte es sofort geglaubt dass es dir wirklich passiert ist Oli...

BeitragVerfasst: 08.12.2006, 16:40
von Bimbel
Ja, bis auf die Hunde könnte ich das hinkriegen :twisted:

BeitragVerfasst: 17.04.2008, 19:12
von Bimbel
Die wollen garnicht mehr zu mir ;)