Aus dem DE
Am Freitag war bereits einiges in Bewegung. Einen Tag nach der Ankündigung des SV Darmstadt 98, wegen Forderungen des Finanzamts von 1,1 Millionen Euro Insolvenzantrag zu stellen, erfuhr Präsident Hans Kessler nach eigener Aussage eine Welle der Sympathie. Konkret lagen ihm Zusagen über Einzelspenden von 10 000 Euro vor.
Spontane Hilfe kam vom nordhessischen Rivalen KSV Hessen Kassel. Dessen Präsident Jens Rose wird den SV 98 mit einer Spende von 10 000 Euro unterstützen. Überdies versprach er ein Benefizspiel des Regionalligisten, dessen Einnahmen den Darmstädtern zugute kommen.
Allerdings betonte Rose, dass die finanzielle Hilfe nicht für einen Insolvenzverwalter verwendet und somit nicht in eine Insolvenz-Masse gehen werde, sondern nur für den SV 98 bestimmt sei. Die Kasseler waren selbst zweimal (1993 und 1997) bankrott gegangen.
Der „Fanverein Darmstadt 98“, der für die kurzfristige Zusammenkunft der Fans am Donnerstagabend verantwortlich gezeichnet hatte, hat am Freitag eine Spendenaktion ins Leben gerufen (
www.fanverein.de). Dies teilte Sprecher Erik Eichhorn mit.
Festgelegt ist inzwischen der Termin für die am Donnerstag angekündigte außerordentliche Mitgliederversammlung des SV 98 – es ist der 17. März (Montag) um 19 Uhr in der Böllenfalltorhalle.
Helfen möchte auch die Stadt Darmstadt. Eine Bürgschaft schloss Oberbürgermeister Walter Hoffmann, der in engem Kontakt mit Kessler steht, allerdings aus. Die Stadt gewährt dem SV 98 bereits eine Bürgschaft von 360 000 Euro für die beiden Kunstrasenplätze – eine Summe, die sie wohl abschreiben müsste, sollte der SV 98 pleite gehen.
„Schon deshalb wäre eine weitere Bürgschaft wenig hilfreich“, sagte Hoffmann gegenüber dem ECHO. Man müsse sorgfältig überlegen und gut durchdenken, was helfen würde. Viele Möglichkeiten gebe es nicht. Er hoffe auf eine breite Solidaritätsbewegung in Stadt und Region, denn: „Die Lilien sind Botschafter der Region.“ Der Oberbürgermeister sagt aber auch: „Ich habe den Eindruck, manche haben den Ernst der Lage nicht erkannt.“
Bei den Fans heißt das Signal seit Donnerstagabend: Kämpfen. Auch wenn so manch skeptischer Ton durchklang. Innerhalb kurzer Zeit über eine Millionen Euro zusammenzubekommen, um zumindest die Forderung der Steuerbehörde zu tilgen und den Insolvenzantrag aus der Welt zu schaffen, ist eine gewaltige Aufgabe. Die zu bewältigen, daran mögen nicht alle glauben. Doch der Wille ist da bei den Fans des SV 98, die sich in der Lilien-Schänke von Präsident Kessler und Sportmanager Tom Eilers anhörten, wie es um ihren Verein bestellt ist. Tenor: Wenn wir es nicht versuchen, schaffen wir es sowieso nicht.
In aller Offenheit hatte Kessler den Anwesenden reinen Wein eingeschenkt. Er stellte klar, dass ein Insolvenzantrag nicht gleichzusetzen sei mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Hoffnung des Vereins liegt auf Zeitgewinn. Bei einer Eröffnung wäre die erste Fußball-Mannschaft automatisch erster Absteiger aus der Oberliga. Sie könnte aber, sofern das zweite Team die Klasse hält, in der Landesliga Süd neu beginnen.
Hans Kessler, von Beruf selbst Sanierer, erklärte, dass es nach neuer Insolvenzordnung darum gehe, das Objekt zu erhalten, nicht zu zerschlagen. Der Präsident machte aber auch deutlich, dass keine Bank dieser Region dem SV 98 Kredite zur Lösung seines Steuerproblems gewähren werde.
Er deutete jedoch an, dass es zeitnah einen Runden Tisch mit zehn großen Unternehmen dieser Stadt geben könnte – Gespräche, wie dem Verein in dieser speziellen Lage zu helfen wäre. Norbert Eder, Firmensprecher der Software AG, signalisierte am Freitag auf ECHO-Nachfrage Bereitschaft der Firma, zumindest daran teilzunehmen und sich die Sache anzuhören. „Finanziell stelle ich aber nichts in Aussicht.“
Den Fans wurde auch klar gemacht, dass mit Einsatz eines Insolvenzverwalters das Präsidium nicht mehr im Amt sein wird. Auf die Frage, ob er sich nach Klärung der Probleme – ob Insolvenz oder nicht – wieder als Präsident zur Verfügung stellen werde, antwortete Kessler: „Mein Herz sagt, jawohl, jederzeit. Mein Verstand sagt, man muss sehen, in welcher Struktur wir landen.“ Für die nächsten bangen Wochen mahnte der Präsident bei den Fans vor allem Besonnenheit an: „Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre irgendetwas Dummes zu tun. Wir dürfen bei den Spielen nicht auffallen. Und bitte: Spielt nicht den Richter.“
Mit flammenden Appellen trat auch Thomas Spengler auf. Im Jahr 2003 war er Betreiber der letztlich unterlegenen Vereinsopposition. Sie hatte seinerzeit ein Szenario wie es jetzt gekommen ist, befürchtet. Deshalb ist Spengler auch nicht überrascht. „Das hatte ich seit langem erwartet. Doch ich spüre keinerlei Genugtuung, dass wir damals Recht hatten.“ Er ist seit 40 Jahren Lilien-Fan, sitzt im Kompetenzteam zur Satzungsreform.
Und in Magdeburg, wo er an der dortigen Uni als BWL-Professor lehrt, hat er erlebt, dass es doch gelingen kann, innerhalb kurzer Zeit einen Millionenbetrag zu beschaffen. Was die Rettung der Magdeburger Handballer bedeutete. Spengler glaubt, die Bevölkerung stehe hinter dem Verein. Man müsse sie nur aus der Passivität rausholen, sie emotionalisieren. „Wir brauchen keinen Aktionismus, wir brauchen gute Aktionen.“