Wenn Vereine Richter spielen

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Wenn Vereine Richter spielen

Beitragvon Milde » 30.10.2009, 00:00

Dürfen Fans "auf Verdacht" ausgesperrt werden? Vor Duisburger Gerichten wurde das bundesweite Stadionverbot gegen einen Fan zweimal bestätigt, obwohl die Polizei ihre Ermittlungen eingestellt hatte. Am Freitag (30.10.09) entscheidet der Bundesgerichtshof.
Fußball-Fans auf der Straße; Rechte: dpaBild vergrößern

Vorwurf: Landfriedensbruch

Das Spiel beim MSV Duisburg am 25. März 2006 hatte der FC Bayern zwar mit 3:1 gewonnen, doch richtig darüber freuen konnte sich eine Gruppe von 80 Bayern-Fans nicht. Als es nach dem Spiel auf dem Weg zum Bahnhof zu Zusammenstößen mit Duisburger Fans kam, wurden sie kurz in Gewahrsam genommen und ihre Personalien aufgenommen. Wenig später flatterten ihnen zwei Briefe ins Haus: Im einen wurde ihnen mitgeteilt, dass gegen sie ein Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch eingeleitet wurde. Im anderen kündigte der MSV Duisburg keinen Prozess an, sondern sprach gleich ein Urteil: Bundesweites Stadionverbot. Einer der Betroffenen: Bayern-Fan M.
Stadionverbot auch nach eingestellten Ermittlungen

Das Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde zwar im Oktober 2006 eingestellt, doch der MSV Duisburg erhielt das Stadionverbot aufrecht. Ein harter Schlag für M., der beteuert, zufällig in die Nähe der Schlägerei geraten zu sein und sich nicht daran beteiligt zu haben. Zwei Jahre durfte M. kein deutsches Stadion betreten, in dem Erst-, Zweit- oder Drittligafußball gespielt wird. Der FC Bayern entzog seine Dauerkarte und kündigte ihm die Mitgliedschaft. M. klagte in Duisburg gegen die Entscheidung sowohl vor dem Amtsgericht als auch vor dem Landgericht. Beide Gerichte bestätigten das Verbot, worauf M. den Bundesgerichtshof als höchste Instanz anrief - obwohl er inzwischen wieder deutsche Stadion betreten darf.
Hat ein Stadionverbot "Prangerwirkung"?

In der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe am 9. Oktober 2009 sprach M.s Anwalt Achim Krämer von einer "Prangerwirkung", die ein Stadionverbot habe. Diese dürfe sich keineswegs auf bloße Verdachtsmomente beziehen. Der MSV Duisburg hätte sich nicht alleine auf die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft verlassen dürfen. Richard Lindner, Anwalt des MSV Duisburg, argumentierte hingegen, dass tätliche Auseinandersetzungen nach Fußballspielen stets im Schutz der Gruppe verübt würden. Um dieses Problem zu lösen, müsse der begründete Verdacht für ein Stadionverbot ausreichen.
Vereinen wird Nebengerichtsbarkeit vorgeworfen
Fußballfans im Stadion; Rechte: dpaBild vergrößern

Gilt Unschuldsprinzip nicht für Fans?

Das Urteil, das am Freitag (30.10.09) verkündet werden soll, wird von vielen Fußballfans mit Spannung erwartet. "Die Entscheidung des Gerichts hat wegweisenden Charakter", so Rolf-Arnd Marewski vom Fanprojekt der Dortmunder Borussia zu WDR.de. "Es geht um die Frage der Rechte für Fußballfans. Und genauer: Wieso gilt hier nicht das Prinzip der Unschuldsvermutung?" Für viele Fans stellen die Praktiken der Vereine eine Nebengerichtsbarkeit dar. Laut Richtlinien des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) haben die Vereine das Recht, bundesweite Stadionverbote zu verhängen, sobald ein Ermittlungsverfahren, etwa wegen Landfriedensbruch, eingeleitet wird. Das Verbot soll aufgehoben werden, wenn das Verfahren eingestellt wird - mit einer Ausnahme: Eine Einstellung wegen Geringfügigkeit, das heißt, die Schuld des Täters ist gering und es besteht kein öffentliches Interesse an einer Verfolgung. In diesem Fall soll der Verein seine Verbotsentscheidung noch einmal überprüfen.
Stadionverbot: Präventivmaßnahme oder Strafe?

Genau das tat der MSV Duisburg und blieb nach Einsicht in M.s Ermittlungsakte bei seinem Verbot. Eine Entscheidung, die immer wieder auf das Unverständnis der Betroffenen trifft, wie auch Michael Gabriel von der Koordinationsstelle Fanprojekte bei der Deutschen Sportjugend weiß: "Das Grundproblem ist: Für die Vereine ist das Stadionverbot eine Präventivmaßnahme, mit der potenziellen Gefährdern der Einlass ins Stadion verwehrt wird. Von den Fans werden die Verbote allerdings als Strafe wahrgenommen." Die man nicht selten auch für Nichtigkeiten bekäme, so Gabriel: "Es wurden schon Stadionverbote für das Kleben von Stickern auf Wellenbrecher verhängt."
Fan-Anwalt hofft auf Reaktion des DFB
Fußballfan wird im Stadion von Polizisten abgeführt; Rechte: dpaBild vergrößern

Ermittlungen werden oft eingestellt

Gerade der Fall in Duisburg wirft viele Fragen auf. Denn laut Rechtsanwalt Wilko Zicht sind alle 80 Ermittlungsverfahren gegen die damals Festgenommenen eingestellt worden. Zicht berät einen Fanrechtefonds, der die Rechte von Fußballfans gegenüber Veranstaltern und Ordnungskräften stärken will und auch den Bayern-Fan M. beim Marsch durch die Gerichte finanziell unterstützt. "In der einen Hälfte der Fälle wurden die Verfahren mangels Tatverdacht eingestellt, in der anderen wegen Geringfügigkeit. Wenn man sich die Ermittlungsakten ansieht, kann man aber keinen Unterschied zwischen den beiden Gruppen feststellen." Zicht hofft darauf, dass der Bundesgerichtshof im Sinne M.s entscheidet und auch der DFB dann entsprechend seine Richtlinien ändert und die Vereine dazu anhält, generell die Stadionverbote aufzuheben, sobald ein Verfahren ad acta gelegt ist. "Wenn ein Verfahren eingestellt ist, ist es eingestellt. Ob aus Geringfügigkeit oder einem anderen Grund, sollte keine Rolle spielen."

Quelle:Tagesschau.de
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Re: Wenn Vereine Richter spielen

Beitragvon Happelche » 30.10.2009, 15:38

Das Urteil ist gesprochen und es wurde den Vereinen rechtgegeben...

Fast alle Stadienverbote resultieren auf eingestellten Strafanzeigen.

Fußballvereine können ein bundesweites Stadionverbot gegen Fans auch bei bloßem Verdacht auf Gewaltbereitschaft aussprechen. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) genügt es, wenn objektive Tatsachen wie die Mitgliedschaft in einer für Randale berüchtigten Fangruppe Störungen befürchten lassen. Es ist nicht erforderlich, dass der Fußballfan strafrechtlich verurteilt wurde. Der Deutsche Fußball-Bund und die Polizei begrüßten das Urteil. Der BGH begründete seine Entscheidung mit dem Hausrecht der Fußballvereine. Sie dürften den Zutritt zu den Stadien verweigern, wenn es für das Hausverbot sachliche Gründe gebe.

Mit dem Grundsatzurteil wurde die zweijährige Stadionsperre für einen FC-Bayern-Anhänger endgültig bestätigt. Nach Ausschreitungen im Anschluss an ein Spiel der Bayern beim MSV Duisburg hatte der Verein gegen ihn ein bundesweites Stadionverbot ausgesprochen. Mit seiner Klage scheiterte der Fußballfan nun in allen Gerichtsinstanzen. Nachdem sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Duisburg das umfassende Hausverbot bestätigten, wies nun auch der BGH die Revision des Fans zurück.
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Re: Wenn Vereine Richter spielen

Beitragvon simon » 26.04.2010, 15:36

Kann da nur zustimmen! Super Artikel
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